Ein eigenes Adventure-Spiel programmieren – mit CoSpaces
Kontext
Michael Hog probiert als Lehrer gerne die Dinge aus, die ihn auch privat interessieren. Seit sieben Jahren unterrichtet er Deutsch, Philosophie, Ethik und ICT (Information Communication Technologies) an der bilingualen Freien Schule Anne-Sophie in Berlin. Das Fach ICT hat hier von der 1. bis zur 10. Klassen einmal die Woche einen festen Platz im Stundenplan. Er sei fasziniert von Virtual Reality, eine Entwicklung mit ungeahnten Möglichkeiten, wie Michael sagt. Auf einer Konferenz ist er auf das Tool CoSpaces gestoßen, mit dem sich ein Adventure-Spiel in virtuellen Räumen programmieren lässt. „Das Spannende daran ist“, sagt Michael, „dass die Schüler*innen dabei nicht einfach nur konsumieren, sondern selbst aktiv werden.“
Michael findet digitale Tools erst dann spannend, wenn sie den Unterricht komplett neu gestalten. Wenn sie eine Erfahrung schaffen, die mit analogen Mitteln nicht möglich wäre. Wichtig ist dem Lehrer dabei vor allem, dass digitale Hilfsmittel nicht zum Selbstzweck im Unterricht eingesetzt werden, sondern dass die Schüler*innen Kompetenzen lernen, die man seiner Meinung nach im 21. Jahrhundert braucht.
Ablauf
Wir besuchen Michael am letzten Tag seines groß angelegten Projekts. In kleinen Gruppen von drei bis vier Personen programmieren die Schüler*innen mit Hilfe von CoSpaces ein Virtual-Reality-Spiel. Dafür müssen sie selbst Räume gestalten, aber auch eine eigene Story entwerfen. Die einzigen Vorgaben: Das Spiel muss in der Schule spielen und sich um Frage drehen: Wer hat die Klassenkasse geklaut?
Michael schätzt an der Arbeit mit CoSpaces vor allem das fächerverbindende Moment. Um ein eigenes Spiel zu entwickeln, brauche es eben ein bisschen Mathematik, viel kreativ-gestalterische Arbeit und vor allem Programmierfähigkeiten. Die Grundfunktionen von CoSpaces seien dabei relativ einfach, sagt Michael, mit wenig Aufwand ließen sich schon sehr beeindruckende Spiele gestalten. „Natürlich braucht es Zeit, sich da reinzufuchsen – vor allem wenn man als Lehrer keine Vorkenntnisse in Programmiersprachen hat.“ Das Projekt selbst läuft aber quasi von allein, seit Michael die Grundlagen eingeführt hat, arbeiten die Schüler*innen selbstständig.
Ihre Arbeit in den Gruppen organisieren die Schüler*innen mit Hilfe der Scrum-Methode und eines Kanban-Boards. Dort sammeln die Schüler*innen ihre Ziele, Aufgaben und den Fortschritt ihres Projekts. Michael wollte ganz bewusst die Arbeitsweise von Start-Ups in den Schulunterricht bringen. „Ich wollte den Schüler*innen zeigen, wie man arbeiten und sich organisieren kann.“
Atmosphäre
»Gerade Schüler*innen, die sonst etwas stiller sind und sich weniger beteiligten, blühen regelrecht auf. Jede*r hat eine Aufgabe, jede*r ist wichtig für das Projekt. Das fördert den Teamgeist und die Motivation.«
Im Unterricht sind die Schüler*innen in ihre Gruppenarbeit vertieft. Das Abgabedatum rückt näher, die letzten Änderungen werden programmiert. Auffällig ist, wie selbständig sie sich in der Programmierumgebung bewegen. Bei Problemen helfen sich die Schüler*innen gegenseitig. Alles wird ernst genommen, jede Entscheidung wird in den Gruppen ausdiskutiert. Bei der Ausgestaltung der Räume geht es um jedes Detail. Soll die Person in der Luft schweben oder auf einem Stuhl stehen? Und wo kommt die Kaffeetasse hin?
Michael greift nur dann ein, wenn die Schüler*innen auf ein Problem stoßen, dass sie einfach nicht lösen können. „Ich krieg die Tür nicht hin“, sagt eine Schülerin. „Ich hab das hier 1:1 kopiert, genauso wie wir es im Unterricht gemacht haben. Aber die Tür geht trotzdem nicht auf.“ Lehrer und Schülerin sucht gemeinsam nach einer Lösung.
Schüler*innen-Stimmen
Wir unterhalten uns nach der Stunde mit einigen Schüler*innen. Man merkt ihnen sofort an. wie viel Spaß sie am Projekt und der Arbeit mit den iPads haben. Sie genießen die Freiheit, ein eigenes Spiel entwerfen zu können und es genau so umzusetzen, wie sie wollen. Die Schüler*innen Lara (rechts) und Matou (links) sind sich sicher, dass sie hier etwas lernen, was sich in ihrem späteren Leben sehr nützlich erweisen wird. „Wenn man zum Beispiel mal Apps oder Games programmieren will“, sagt Lara. Und Matou fügt hinzu: „Heutzutage ist das auch einfach Teil der Allgemeinbildung geworden. So was muss man einfach wissen.“ Die beiden haben auch schon einen Programmierkurs bei Google gemacht. Als Job kommt das für sie gerade nicht in Frage, es sei aber interessant und gut, Einblicke in diese Arbeit zu bekommen.
Wir fragen zwei Schülerinnen, was ihnen am Unterricht mit CoSpaces besonders gefallen hat.
Fazit
Michael ist sehr zufrieden mit seinem Projekt. Gerade die kreative Arbeit an den Räumen und der eigentlichen Story fördere Talente, die sonst im Unterricht nicht so gefragt werden. Das Haupthindernis in der Arbeit mit CoSpaces liegt für den Lehrer im großen Aufwand. Es braucht eben seine Zeit, bis die Grundfunktionen der Programmierung erklärt sind. Das alles ist für Michael aber kein großer Verlust. Er verwende auf das Projekt zwar ein paar Wochen mehr als ursprünglich eingeplant, sagt er, aber die Schüler*innen würden dabei einfach so viel lernen.
Hier ein Ausschnitt aus unserem Interview mit Michael:
Erfahrungen
Michael kennt die klassischen Probleme mit digitalen Hilfsmitteln im Unterricht. Mal funktioniert das Internet nicht, mal sind die iPads nicht geladen. In der Arbeit mit CoSpaces kam paradoxerweise ein neues dazu: Seine Schüler*innen waren einfach zu begeistert. Denn für viele von ihnen war das Projekt das erste Mal, dass sie in eine virtuelle Realität eintauchen. Zu Beginn des Projekts hatte Michael eine geführte Tour durch mehrere virtuelle Gebäude geplant. Zu den eigentlich Aufgaben kam er in der Stunde aber gar nicht, weil die Schüler*innen zu begeistert von der Technik waren.
Für andere Lehrpersonen, die mit digitalen Hilfsmitteln im Unterricht arbeiten wollen, hat Michael einen einzigen Rat: Einfach ausprobieren. „Und keine Angst vor dem Scheitern und vor Misserfolgen haben.“ Es sei wie mit jeder Methode, die man zum ersten Mal ausprobiert, sagt Michael.
»Man muss einfach Erfahrungen sammeln. Dann wird man die Tools immer häufiger und zielgerichteter einsetzen können.«
Hier gibt uns Michael seinen Rat: