Eine Projektwoche mit den Tüfteltechnologien Calliope und Sensebox
Kontext
Adriane lässt sich so schnell nicht aus der Ruhe bringen. Auch wenn die alten Laptops mal wieder spinnen. Mit einem Lächeln steht sie vor ihrer 9. Klasse an der IGS Nordend in Frankfurt am Main. Adriane unterrichtet dort Deutsch, Mathe und Englisch, Lehrerin ist sie seit zehn Jahren. Heute startet sie zusammen mit ihren Schüler*innen in eine Projektwoche zum Thema öffentlicher/städtischer Raum. Der Titel: „Auto-Bashing“. In den kommenden Tagen sollen sich die Schüler*innen mit der gegenwärtigen Transport- und Mobilitätslage in Städten auseinandersetzen. Sie sollen Interviews führen mit Menschen auf der Straße, aus der Zivilgesellschaft, und am Ende selbst mit Hilfe der Tüfteltechnologien Calliope und Sensebox eigene Lösungen programmieren.
Adriane liebt es, Arbeitsmaterialien für ihre Schüler*innen zu gestalten. Den Unterricht leitet sie zusammen mit Robert, der sie als Beobachter und stiller Helfer bei den Arbeitsaufträgen unterstützt. Die Lehrer*innen an der IGS Nordend kämpfen jedoch mit einer prekären technischen Ausstattung: WLAN gibt es in den Klassenzimmern noch nicht, bislang nutzen die Schüler*innen Hotspots, die von der Lehrperson zur Verfügung gestellt werden, und ein paar wenige mobile Laptops, die aber hin und wieder den Dienst verweigern. Für die ganze Schule gibt es einen Computerraum, in den Klassenzimmern hängen – ganz klassisch – Kreidetafeln. Adriane sieht diese Defizite pragmatisch und gelassen. Ihre Attitüde: „Für jedes Problem gibt es eine Lösung.“
Ablauf
Das Projekt eröffnet Adriane mit einem Klassengespräch: „Was bedeutet öffentlicher Raum für dich?“ Es ist früh am Morgen, die Schüler*innen sind noch ein bisschen träge. Nach und nach fallen Schlagworte wie „Lärmbelastung“ und „Feinstaub“. Kurz darauf wird die Klasse in Kleingruppen aufgeteilt. Der erste Arbeitsauftrag: Die Schüler*innen sollen auf einem ausgedruckten Google-Maps-Ausschnitt Straßen, Parkplätze und Spielplätze rund um das Schulgelände markieren. Daraus entwickeln sich erste hitzige Diskussionen über die Anzahl der Parkplätze im Vergleich zu den Spielplätzen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Lehrer Robert jeden Tag mit dem Auto zur Schule fährt, Adriane hingegen konsequent mit dem Fahrrad kommt.
Im Laufe des Tages haben Adriane und Robert immer wieder mit technischen Problemen zu kämpfen. So möchten sie zum Beispiel einen Kurzfilm zeigen über Modellstädte und neue Mobilitätskonzepte. Am kastigen Beamerwagen jedoch fehlt ein LAN-Kabel. Als das gefunden ist, funktioniert der Log-in nicht. Adriane kann ihre Frustration nicht verstecken. Am Anfang des Schuljahres sei ihre Motivation, technische Geräte in den Unterricht einzubinden noch groß, sagt sie, aber irgendwann habe sie einfach keine Lust mehr, dass immer ihre Pausenzeit dafür drauf gehe, die Laptops ordentlich einzurichten.
Eigentlich sollten die Schüler*innen heute außerhalb der Schule Interviews führen. Ein Blick aus dem Fenster jedoch verrät: Es regnet in Strömen. Also wird kurzerhand umdisponiert. Wir sind wieder einmal beeindruckt von der Spontanität der Lehrpersonen. Ein Plan B scheint immer schon in der Tasche zu stecken. Statt der Interviews gibt es nun also das „Roboterspiel“. Dabei sollen kleine Teams aus Schüler*innen ihre Mitschüler*innen mit Anweisungen wie „Drei Schritte geradeaus, dann 90 Grad nach rechts drehen“ durch einen Parcours navigieren. Eine Gruppe gibt Anweisungen, die andere führt diese als menschliche Roboter mit verbundenen Augen aus. Schnell verstehen die Jugendlichen das dahinter liegende Prinzip „If this, than that“, eine der wichtigsten Grundlagen von Programmiersprachen. Das Roboterspiel ist eine Vorübung für die kommenden Tage, an denen die Schüler*innen mit den Senseboxen und Calliopes arbeiten und sich dafür Programmiergrundkenntnisse aneignen sollen. Die Erfahrungen aus dem analogen Spiel werden in die digitale Welt übertragen.
Atmosphäre
Am Ende der Stunde beschreibt Adriane die Stimmung im Unterricht als „positiv interessiert“. Sie merkt jedoch mit Bedauern an, dass die Schüler*innen noch sehr an das Notensystem gewöhnt seien, sodass sie bei Projekten wie diesem, bei denen am Ende keine Arbeit geschrieben wird und keine Noten verteilt werden, die Sinnhaftigkeit insgeheim hinterfragen würden. Auch wenn das Thema der Projektwoche erkennbar auf Interesse bei den Schüler*innen stößt, hört man oft Getuschel im Unterricht. Was bis zu einem gewissen Grad ja auch verständlich ist. Es sind eben Teenager. Da muss sich ganz dringend über einen neuen Instagram-Post ausgetauscht werden. Aber Adriane weiß, wie sie die Aufmerksamkeit ihrer Schüler*innen wieder zurückgewinnen kann:
»Wenn du als Lehrperson wirklich für ein Thema brennst, spüren das auch die Schüler*innen.«
Schüler*innen-Stimmen
Nach dem Projekt sprechen wir mit Louis und Justus, zwei technikbegeisterte Jugendliche aus Adrianes Klasse. Beide empfinden die Arbeit mit Sensebox und Calliope als willkommene Abwechslung. Sie machen aber auch deutlich, dass es ihnen nicht ausreicht, was sie bislang in Bezug auf digitale Medien in der Schule lernen.
Dass Adriane keine Expertin für Sensebox und Calliope ist, stört die beiden überhaupt nicht. Learning by doing finden Justus und Louis viel spannender. Schüler*innen und Lehrer*innen lernen gemeinsam und helfen sich gegenseitig. Eine Herausforderung, die die beiden Schüler reizt, wie man deutlich merkt.
Wir fragen nach, warum es Justus und Louis wichtig ist, den Umgang mit digitalen Geräten zu lernen:
Fazit
Insgesamt ist Adriane mit dem Verlauf des Projektes zufrieden. Sensebox und Calliope hat sie auf einem Workshop des Digital Literacy Lab kennengelernt. Das gab ihr die Sicherheit, die neuen Technologien im Unterricht einzusetzen, und verringerte ihre eigene Vorbereitungszeit für das Projekt erheblich. Sie musste sich lediglich noch ein paar Tutorials ansehen. Alles eben doch gar nicht so schwer, wenn man ein bisschen neugierig sei, sagt Adriane. Ob digitale Technologien in Schulen zum Einsatz kommen sollen, steht für sie gar nicht zur Debatte:
»Das ist nicht die Zukunft. Das ist unser Jetzt. Wir müssen uns damit auseinandersetzen!«
Wir haken noch einmal konkreter nach und fragen, warum es ihr wichtig ist, dass die Schüler*innen den Umgang mit digitalen Hilfsmitteln lernen:
Erfahrungen
Adriane lässt sich sich so schnell nicht aus der Ruhe bringen. Wenn mal wieder ein Kabel fehlt oder das Internet nicht funktioniert, geht sie locker mit der Situation um. Während des Unterrichts sei das kein Problem, sagt Adriane, aber diese frustrierenden Erlebnisse würden sie schon daran hindern, immer wieder neue technische Geräte im Unterricht einzusetzen.
Adriane teilt mit uns ihre Gedanken, warum technische Hilfsmitteln ihrer Meinung nach noch so selten im Unterricht zum Einsatz kommen:
Trotz aller Hindernisse – für Adriane steht es außer Frage, dass sie sich auch in Zukunft um neue technologische Hilfsmittel in ihrem Unterricht bemühen möchte. Zum Schluss fragen wir sie noch: