Garageband – das virtuelle Tonstudio
Kontext
Donnerstag, sechste Stunde, Werkstattkurs Musik in der 8. Klasse steht heute auf unserem Stundenplan. Wir sind zu Gast bei Philipp, einem feinfühligen, verständnisvollen und motivierenden Lehrer an der Gesamtschule Kleinmachnow. Eigentlich wollte Philipp immer Filmmusik studieren, aber die Arbeit mit Jugendlichen und die Möglichkeit für sie eine Bezugsperson im Alltag zu sein, hat ihn in die Schule verschlagen. In der Kombination mit seinem Interesse für Umweltschutz und gesunde Ernährung war seine Fächerkombi Musik und Biologie schnell entschieden.
Seine persönliche Leidenschaft für Kompositionen trifft in der heutigen Doppelstunde auf den Wunsch, der kürzlich eröffneten Gesamtschule mehr Außenwirkung zu geben. Die Schüler*innen entwickeln in einem knapp zweimonatigen Projekt gemeinsam einen Imagefilm für ihre Schule. Dafür sammeln die Jugendlichen in Teams Bild- und Videomaterial von den Räumlichkeiten, der Ausstattung und den Besonderheiten ihrer Lernumgebung und führen Interviews mit Lehrpersonen und Mitschüler*innen. Diese Inhalte sollen mit selbst produzierter Musik untermalt werden. Und hier kommt Garageband, das Tool der heutigen Stunde, ins Spiel.
Ablauf
Die Gitarre lässig unter dem Arm, eröffnet Philipp die Stunde mit einer kurzen Generalprobe für den Nachmittag der offenen Tür. Es erklingt etwas zaghaft und noch so ganz analog James Bay’s »Hold back the River«. Eine Schülergruppe übernimmt den Gesang, eine andere erzeugt Rhythmus mit Bechern, die nächste den Bass mit Plastikrohren.
Die Jugendlichen lachen viel, sind aufgekratzt, gleichzeitig ist es auch wuselig und laut. Im Anschluss wird im Sitzkreis die Aufgabenstellung für die Stunde wiederholt und der Zeitrahmen besprochen – 40 Minuten für die Kreation erster Musikspuren. Und los geht’s. Die Macbooks stehen im benachbarten Medienraum abholbereit, dem guten Techniksupport der Schule sei Dank. Nach kurzem Einrichten und anfänglichem Beklagen von vergessenen Kopfhörern und nicht hochfahrenden Rechner, starten die Schüler*innen. Berührungsängste vor dem doch recht komplexen Programm, scheint hier niemand zu haben.
Im Gespräch mit den Teenagern wird ein Konsens deutlich: Ja es gab zwar schon vor ein paar Stunden eine kurze Einführung in die verschiedenen Funktionen von Garageband (Philipp erzählt uns anschließend wie viel Mühe und Zeit er darin gesteckt hatte), aber irgendwie muss man das einfach ausprobieren. Einer der Schüler bringt es auf den Punkt mit dem Satz »Ich bin nicht so der Tutorial-Gucker, eher so der Selbst-Ausprobierer.«
Der individuelle Umgang mit dem Programm wird beim Beobachten der Klasse deutlich. Der eine nimmt eine einzige Tonspur als Grundlage und reichert sie nach und nach mit weiteren Klängen an. Der andere hört die umfangreiche Bibliothek durch, sammelt alle Tonspuren zusammen und schmeißt anschließen wieder raus was nicht harmoniert.
Das Ausprobieren mit Effekten, Loops, Lautstärken und Co macht den Schüler*innen sichtlich Spaß. Bemerkenswert ist jedoch, dass sich fast alle der bestehenden Soundbibliothek bedienen und remixen. Nur zwei Schüler spielen eigenständig eine Melodie mit digitalen Instrumenten ein. Im Anschluss teilt Philipp mit uns seine Beobachtung:
»Beim Remixen der Sound und Loops aus der Library haben die Schüler*innen sehr viel schneller ein Erfolgserlebnis. Das Einspielen eigener digitaler Instrumente mit der Tastatur des MacBooks ist hingegen gerade am Anfang musikalisch anspruchsvoller und etwas hakelig.«
Atmosphäre
»Jede*r taucht mit Kopfhörern auf den Ohren in die eigene Welt ab. Manchmal würde ich mir da mehr produktiven Austausch und gegenseitiges Feedback wünschen. Aber das Arbeitstempo der Schüler*innen ist so unterschiedlich, dass manche Scheu haben ihre unfertigen Projekte anderen vorzustellen«
Uns überrascht besonders der Lautstärke-Unterschied vom analogen Musizieren zu Beginn der Stunde, hin zum digitalen. Plötzlich ist es ganz ruhig. Lediglich das Tippen auf den Tastaturen und gelegentliches Kniewippen ist zu hören. Im Gegensatz zum Musizieren mit Instrumenten ist die Stille beim Arbeiten an den Macbooks manchmal schon gruselig« sagt Philipp im Nachhinein.
Dennoch werden auch vereinzelt die Kopfhörer der Nachbarperson übergestülpt um erste Ergebnisse zu teilen. Auch Ausrufe wie: »Herr Nützler, kommen Sie mal, das hört sich voll nach einer Mario Kart Strecke an.« werden laut. Genauso auch Frustrationen à la »Dieses Jazzset passt einfach nicht zu unserer Schule.« Philipp ist um ehrliches Feedback nicht verlegen, gibt individuell Anregungen für’s weitere Vorgehen, zeigt aber auch sehr gelöst seine Begeisterung und ermutigt die Jugendlichen.
Ergebnisse
Auch wenn sehr vereinzelt doch mal das Youtube-Fenster schnell weggeklickt wird, sobald der Lehrer zu nahe kommt, sind die Outputs der ersten Stunde bereits richtig gut. Philipp ist begeistert und teilt mit uns, dass ein Großteil der Arbeitsergebnisse seine Erwartungen übersteigen. Nur ein paar wenige Schüler*innen haben noch kein fertiges Produkt geschafft und brauchen eine intensivere Betreuung. Die ersten Tonspuren werden dann am Nachmittag der offenen Tür veröffentlicht. Das ist sowohl für die Schüler*innen, als auch für Philipp ein schöner Moment.
Um letztlich aber einen gesamtheitlich hochwertigen Imagefilm zu produzieren, bedarf es noch zusätzlicher Hilfsmittel. Philipps Ziel ist es, dass die Jugendlichen am Ende des Projektes neben den musikalischen Fähigkeiten, auch fit werden in der Bildbearbeitung sowie filmische Qualitäten entwickeln. Im nächsten Schritt werden alle Inhalte dann in iMovie zu einem Film geschnitten.
Schüler*innen-Stimmen
Wir unterhalten uns nach der Stunde mit einigen Schüler*innen der Musikwerkstatt. Im Gespräch wird deutlich, dass die Freiheit selbstständig und im eigenen Tempo arbeiten zu können als besonders positiv wahrgenommen wird.
Wir fragen eine Schüler*innen-Gruppe wie sie die Atmosphäre im Raum empfunden haben beim Lernen mit den Macbooks.
Dass das Lernen mit digitalen Geräten für die Zukunft relevant ist, stellt keine/r der Schüler*innen zur Debatte. So gut wie jeder Beruf wird eine gewisse digitale Kompetenz voraussetzen.
Wir fragen die Achtklässler aber auch, ob sie das Tool der Stunde schon in naher Zukunft, besonders auch in anderen Fächern anwenden könnten.
Fazit
Philipp wirkt während der Musikwerkstatt entspannt und in seinem Element. Er hatte in der Stunde vorab einen umfangreichen Leitfaden zu den Grundfunktionen von Garageband mit den Schüler*innen besprochen. Das hätte es gar nicht gebraucht, verrät er uns im Nachhinein. Einmal mehr hat er festgestellt, dass die Schüler*innen durch das Ausprobieren lernen und eher situativ Fragen stellen. Verschenkt war die Vorbereitungszeit aber trotzdem nicht. Im Interview erzählt Philipp, dass es für ihn wichtig ist, sich durch eine intensive Vorbereitung sattelfest zu fühlen, damit er den Schüler*innen auch versiert weiterhelfen kann. Alle weiteren Stunden bedürfen dafür aber weniger Vorbereitung.
Generell hat er das Gefühl die Schüler*innen haben viel Freude an dem eher verspielten und kreativen Arbeiten und auch er genießt die Stunden sehr.
Auf unser Nachfragen, was ihm besonders Freude an der Musikwerkstatt macht, antwortet er ehrlich:
Erfahrungen
Dass digitale Medien in Philipps Unterricht Platz finden müssen, ist für ihn gar keine Frage. Er sagt: »Ich finde es generell wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen den verantwortungsbewussten Umgang mit digitalen Medien erlernen, weil klar ist, dass das in ihrem Berufsalltag eine große Rolle spielen wird und in ihrem heutigen Alltag auch schon eine Rolle spielt.
Doch es gab auch schon viele frustrierende Tiefpunkte für Philipp beim Unterricht mit technischen Geräten. Er erinnert sich an Stressmomente, in denen der gesamte Klassensatz der Macbooks erst gar nicht hochgefahren ist, und er die Hoffnung, dass dies nur eine vorübergehende Störung sei, erst nach 30 Minuten endgültig verloren hatte.
Zudem sind nicht sauber abgelegte Dateien, vergessenes Equipment oder Konfigurationsprobleme Stolpersteine, die einfach dazu gehören. Ja, es kann passieren, dass mal eine Stunde völlig misslingt. Philipp weiß aus eigener Erfahrung, dass es dann umso wichtiger ist, den Mut nicht zu verlieren und sich zu überwinden dran zu bleiben.
»Gerade wenn es auch um Musik geht, finde ich es schön, wenn die Schüler*innen lernen, sich künstlerisch auszudrücken, auch wenn sie kein Instrument spielen, weil beispielsweise die Eltern das finanziell nicht ermöglichen können oder sie keine Zeit haben, den Weg zur Musikschule zu unterstützen.«
Zum Schluss fragen wir Philipp noch: