Interaktive Plakate gestalten mit dem Touchboard
Kontext
Anna Lisa ist eine Macherin. Ihr Motto: „Done is better than perfect“. Hauptsache man hat etwas versucht und geschafft, perfekt muss es am Ende nicht sein. Seit vier Jahren arbeitet sie als Lehrerin für Mathe und Religion, sie unterrichtet an der IGS Nordend in Frankfurt am Main. Anna Lisa lebt das Konzept der integrierten Gesamtschule. Durch und durch. Ihre Kollegin Tina ist seit zehn Jahren Deutsch- und Sportlehrerin, unterrichtet aber auch Musik und Gesellschaftslehre. Sie liebt die Abwechslung in ihrem Job. Jeden Tag im Büro hinter einem Schreibtisch zu sitzen, das wäre nichts für sie. Für sie gehört der Kontakt zu den Schüler*innen, zu ihren alltäglichen Problemen und Sorgen, einfach zum Job dazu. Sie engagiert sich – fordert aber auch viel.
Wir besuchen Anna Lisas und Tinas 9. Klasse während einer Projektwoche mit dem Titel „Plastik? Nein Danke“. Die beiden Klassenlehrerinnen leiten das Projekt gemeinsam – vier Tage lang, vier Stunden pro Tag. Als technisches Hilfsmittel, das den Lernprozess in dieser Woche unterstützen soll, verwenden sie „Touchboard“.
Damit können Interviews (in diesem Fall: zum Thema Plastikmüll und -verschwendung) aufgezeichnet, Infotexte eingesprochen und interaktive Plakate gestaltet werden. Am Ende sollen die Schüler*innen eigene Ideen und Lösungen entwickeln, wie in Zukunft Plastikmüll vermieden werden kann.
Die technische Ausstattung der IGS Nordend ist leider eher dürftig. Auf WLAN warten Lehrer*innen und Schüler*innen sehnsüchtig, in den Klassenzimmern hängen ganz altmodisch Kreidetafeln. Es gibt nicht genügend Laptops für alle Schüler*innen, zum Teil müssen sie zu dritt vor einem Gerät arbeiten. Smartphones sind an der IGS Nordend verboten. Tina findet das gar nicht so schlimm: „Die Kinder sollen nicht still in ihrer Blase mit Stöpseln im Ohr stehen, sondern miteinander interagieren.“
Ablauf
Zu Beginn der Projektwoche haben die Schüler*innen eigenständig zum Thema Plastikmüll recherchiert, um anschließend in Gruppen von drei bis vier Personen Interviews führen zu können. Eine Gruppe hat beispielsweise mit dem örtlichen Eisdieleninhaber gesprochen, der ihnen erzählt hat, dass er mindestens 300 Plastiklöffel ausgibt. Nachhaltig ist das nicht. Ein Löffel wird für genau eine Portion Eis benutzt – danach wird er weggeschmissen. Auf diese Weise haben sich die Schüler*innen mit unterschiedlichen Aspekten des übergeordneten Themas beschäftigt: Plastik im Meer, Plastik in der Kosmetik, usw.). Die von ihnen recherchierten Fakten haben sie auf Plakaten zusammengetragen und aufbereitet. Handgeschriebene Plakate, die mit Hilfe vom „Touchboard“ um ein interaktives Element erweitert werden können: Drückt man auf die kleinen, selbst gebastelten Knöpfe in der Mitte der Papierplakate, erklingen die Tonspuren der geführten Interviews.
Der zweite Teil der Projektwoche besteht darin, neue Lösungen und Ideen zu konkretisieren, um Plastik in Zukunft zu vermeiden. Eine Gruppe näht Stoff-Einkaufsbeutel aus alten T-Shirts, eine andere Gruppe entwickelt selbst Naturkosmetik. Das Team, das den Eisdielenbesitzer interviewt hat, backt Kekslöffel in der hauseigenen Schulküche. Alle Materialien und Geräte, die die Schüler*innen brauchen, organisieren sie selbst. Ergänzend zu den fertigen Produkten entwerfen die Gruppen Werbeplakate und listen die Vorteile ihres Produkts gegenüber herkömmlichen Plastiklösungen auf. Die Ergebnisse präsentieren die Schüler*innen ihrer Parallelklasse im Marktplatzformat: Jede Gruppe hat für ihre Lösung einen Tisch aufgebaut, die Mitschüler*innen flanieren umher und schauen sich an, was sie interessiert.
Atmosphäre
Die Arbeit mit den Touchboards ist etwas besonderes für die Schüler*innen. Sie haben Respekt vor der Technik, aber zeigen großes Interesse und Neugier. Im Gespräch mit Schüler*innen fallen Sätze wie: „Mehr als Word machen wir selten im Unterricht. Das ist schade.“ Die Freude jetzt mit einer Tüfteltechnologie arbeiten zu können, ist deshalb umso größer. Und auch wenn die Verkabelung der Plakate zuweilen kleinteilig und mühsam ist, nehmen sich die Schüler*innen viel Zeit und arbeiten in Ruhe.
Während des gesamten Projekts ist die Tür des Klassenzimmers stets geöffnet. In den Arbeitsphasen organisieren sich die Schüler*innen selbstständig in Gruppen. Lediglich zu zentralen Inputs und Zwischenpräsentationen kommen alle zusammen. Die Lehrpersonen bringen den Schüler*innen Vertrauen entgegen. Klar ist: Hier wird nichts auf dem Silbertablett serviert, aber genau das bringt die Kinder zum Handeln.
Ergebnisse
»Das war Lernen auf einer ganz anderen Ebene, sich selbst zu hören, wie man spricht, worauf man achten muss. Im ersten Moment war es den Jugendlichen unangenehm, sich selbst zu hören, aber man hat gesehen, wie stolz sie auf ihre Ergebnisse waren.«
So lobt Anna Lisa das interaktive Element der selbst geführten Interviews. Die Produkte selbst sehen am Ende zwar ein bisschen nach Handarbeit aus, aber sie sind ja schließlich auch Prototypen. Bei der Abschlusspräsentation sind die Schüler*innen (zurecht) sichtlich stolz auf ihre Bambus-Strohhalme, die selbst gebackene Kekslöffel, Natur-Kosmetik, Stoffbeutel aus alten T-Shirts und Handyhüllen aus Pappe.
Schüler*innen-Stimmen
Nach der Präsentation der Ergebnisse teilen die Teams ihre Erfahrungen in einer Reflexionsrunde.
Großer Konsens besteht darin, dass es besonders Spaß gemacht hat, die Interviews aufzunehmen und Infotexte einzusprechen und eben nicht wie sonst nur aufzuschreiben.
Wir fragen die Jugendlichen, wie sie den Unterricht, speziell auch das Arbeiten mit dem Touchboard, empfanden.
Den Schüler*innen ist sehr bewusst, wie wichtig es ist, den Umgang mit digitaler Technik zu lernen. Fast schon ein bisschen abfällig berichten sie davon, dass in ihrer Schule noch „alles mit Stift und einem Blatt Papier gemacht wird, aber sobald man die Schule verlässt, gibt es kaum noch Situationen, wo man sein Block und Mäppchen dabei hat, um irgendetwas aufzuschreiben.“ Dass bei den Lehrpersonen mal etwas nicht auf Anhieb klappt, ist für sie gar kein Problem. Es überwiegt die Anerkennung, dass sich Lehrer*innen überhaupt um Unterricht mit digitalen Geräten bemühen. Da darf auch mal etwas schief gehen.
Fazit
„Das war schon so ein Wow-Projekt, eine schöne Abwechslung“, sagt Anna Lisa am Ende. Sie und Tina sind zufrieden. Beim nächsten Mal würden sie jedem Schüler*innen-Team jedoch gerne ein eigenes Touchboard zur Verfügung stellen. Die vielen Plakate mit einem Gerät zu verknüpfen, war unnötig kompliziert. Die allgemeine Vorbereitungszeit hingegen hielt sich in Grenzen. Die Lehrer*innen konnten auf das Material des Digital Literacy Lab zurückgreifen, einem Projekt, das Tüfteltechnologien mit BNE-Kompetenzen verknüpft und Materialien für Lehrpersonen anbietet.
Anna Lisa und Tina haben zuvor noch nie mit dem Touchboard gearbeitet, sagen aber selbst, dass es kinderleicht sei. „Wer ein bisschen technisches Verständnis hat und eine SD-Karte befüllen kann, für den reicht es, ein Tutorial zu gucken und los geht’s. Außerdem sind die Jugendlichen technisch versierter, als man selbst denkt.“
»Wir leben in einer digitalen Welt. In so ziemlich jedem Berufsfeld wird der fähige Umgang mit digitalen Geräten vorausgesetzt. Dieser Lernprozess muss schon in der Schule beginnen und damit ist nicht nur der Umgang mit dem Smartphone gemeint.«
Erfahrungen
Unter den gegebenen Voraussetzungen versuchen Tina und Anna Lisa digitale Hilfsmittel so oft wie möglich in ihren Unterricht zu integrieren, sei es als Quiz oder als digitale Arbeitsblätter. Weniger schöne Erlebnisse kennen die beiden Lehrerinnen auch. Mit einem kleinen Schmunzeln erzählen sie uns, wie ihnen einmal ein Laptop durchgebrannt ist. Anna Lisa und Tina nutzen häufig private Geräte, weil die alte technische Ausstattung der Schule zu lange braucht, um hochzufahren. Spontan umzudenken, das ist für die beiden Lehrerinnen kein Problem. Wenn der Alltag dich herausfordert, wird eben Plan B gezückt.
Tina, welchen Rat würdest du Lehrkräften geben, die digitale Hilfsmittel im Unterricht einsetzen wollen?